„Swift-Quake“: Warum es bei Taylor Swift ein kleines Erdbeben gab - WELT (2024)

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Es ist gleich zweimal passiert: Nicht nur in Seattle im Juli, auch in Los Angeles im August bebte während eines Konzertes von Taylor Swift die Erde. Seismologen tauften das Phänomen den „Swift-Quake“ – und stritten sich seitdem, ob die Beats in den Boxen, der Nachhall des Soundsystems oder die hüpfenden Fans die Erschütterungen der Erdoberfläche auslösten.

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Wie nun die Seismological Society of America berichtet, haben Forscher um Gabrielle Tepp vom California Institute of Technology in Pasadena das Rätsel gelöst: Das über die Maßen begeisterte Publikum ist schuld.

In ihrer Studie im Fachmagazin „Seismological Research Letters“ rechnen die Forscher das vor. Sie zerlegten zunächst das Konzertprogramm in einzelne Lieder, dann isolierten sie deren Erschütterungs-Signatur und bestimmten so die Erdbebenstärke der einzelnen Songs.

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Möglich wurden die genauen Messungen, weil der Swift-Quake in Seattle die Forscher neugierig gemacht hatte. Im Sofi-Stadion in Los Angeles stellten sie vor dem Konzert Bewegungssensoren auf, verglichen deren Aufzeichnungen später mit den Daten der nahegelegenen permanenten seismischen Messstationen. „Mein Bauchgefühl sagte mir zunächst: Wenn man ein harmonisches Signal hat, das so schön ist, muss es von der Musik oder den Instrumenten oder so kommen“, erzählt Tepp, die nicht nur die beben vor Vulkanausbrüchen untersucht, sondern auch selbst Musikerin ist.

Für Swifts Konzert am 5. August 2023 konnten Tepp und Kollegen tatsächlich 43 der 45 gespielten Songs anhand der aufgezeichneten Kurven identifizieren. Tepp, die sich mit Vulkanen und den Vorbeben bei ihren Ausbrüchen beschäftigt hat – und auch selbst Musikerin ist – erklärt: „Jeder Swift-Song hatte ein unverwechselbares Tremor-Signal.“

Der Song mit der höchsten Magnitude

In ihrer Sprache nennen die Forscher das Phänomen: „Konzerttremor“. „Es entstehen langanhaltende Signale mit schmalbandigen, harmonischen Frequenzspitzen zwischen 1 und 10 Hertz“, schreibt die Seismological Society. „Diese Art von niederfrequentem Signal sieht aus wie das harmonische Beben, das von natürlichen Quellen wie Vulkanen und menschlichen Quellen wie Zügen eingefangen werden.“ Die Songs unterschieden sich beträchtlich in ihrer Bebekraft, ausgerechnet das Lied „Shake It Off“, zu Deutsch: „Schüttel es ab“, erreichte mit Abstand die größte sogenannte Magnitude: 0,851.

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Je höher die Magnitude, desto stärker das Erdbeben. Tepp berechnete dann, wie Erdbebenforscher das tun, die elastische Energie, die jedes Lied freisetzte und konnten damit die Intensität des ausgelösten Bebens berechnen. Das Gewackel bei „Shake It Off“ entsprach einem Erdbeben der Stärke -2. Das ist nicht der Rede wert. Zwar hängt die Intensität des Erdbebens von der erreichten Magnitude ab, aber eben auch von der Zeit, in der die Bewegung passiert: „Man darf nicht vergessen, dass diese Energie innerhalb weniger Minuten freigesetzt wurde, verglichen mit einer Sekunde bei einem Erdbeben dieser Stärke“, sagte Tepp

„Swift-Quake“: Warum es bei Taylor Swift ein kleines Erdbeben gab - WELT (2)

Die höchste jemals gemessene Magnitude von 9.5 ist die des Erdbebens in Chile im Jahr 1960. Schäden entstehen typischerweise ab einer Magnitude von 5,5, wahrnehmen können Menschen Erdbeben ab einem Wert von 2.0. Die Erschütterungen aus der Musik blieben alle unter dieser Grenze.

Das harmonische Zittern, das überall zu spüren war, konnte also nicht von der Musik gekommen sein, blieben 70.000 Konzertbesucher. Um dies zu bestätigen, machten die Wissenschaftler selbst Musik. Sie ließen Songs über einen tragbaren Lautsprecher neben einem starken Bewegungssensor laufen.

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Tepp schloss auch ihre Bassgitarre an den Lautsprecher an und spielte einen einfachen, sich wiederholenden Beat. Außerdem sprang sie neben dem Sensor auf und ab, in der Pressemitteilung steht „abrocken“, während Swifts „Love Story“. „Auch wenn ich nicht gut darin war, am selben Ort zu bleiben – ich sprang in einem kleinen Kreis herum, wie bei einem Konzert – war ich überrascht, wie klar das Signal war“, sagte Tepp.

Heavy Metal ist gar nicht so heavy

Ganz anders als die Bässe, sie „machten kein harmonisches Signal, obwohl sie genauer im Takt waren als meine Sprünge“. Sie glaubt, dass das mehr mit der Form des Signals zu tun haben könnte – die Bass-Beats haben eine rundere, stärker hervortretende Form als die „Spitze“ eines Sprungs – relativ zum Abstand zwischen den einzelnen Beats oder Sprüngen. Diese Beziehung „könnte Auswirkungen darauf haben, warum einige seismische Signale in Spektrogrammen harmonisch erscheinen, während andere ähnliche dies nicht tun“.

Wegen der Messgeräte im Stadion wurde es auch möglich, Swifts Konzert mit anderen Auftritten, von Metallica, Beyoncé und Morgan Wallen zu vergleichen. Ausgerechnet Metallica mit seinem „Heavy Metal“ ist gar nicht so heavy: Im Vergleich hatten die Rocker die schwächsten Amplituden. „Und Konzerte hatten schöne, geradlinige harmonische Signale, aber die Signale des Metallica-Konzerts waren schräg und sahen irgendwie seltsam aus“, sagt Tepp.

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Eine mögliche Erklärung: Während Swift so genau choreografiert, dass sich auch feine Details, wie die Geschwindigkeit, nicht von der aufgezeichneten Musik auf ihren Alben unterscheidet, spielen Metallica live im guten alten Sinne. Sie interpretieren ihre Lieder neu, mal wird der Beat schneller, mal langsamer. Auch die Metallica-Mitglieder wandern hin und her auf der Bühne, während bei Swift jeder Schritt gleich bleibt. Das könnte die Leute dann auch individueller reagieren lassen.

„Die Tremor-Signale selbst kommen wahrscheinlich vom Publikum, aber wenn die Band den Beat oder die Geschwindigkeit der Songs variiert, reagiert das Publikum eventuell anders“, spekuliert Tepp. „Metal-Fans mögen es, viel zu headbangen, also hüpfen sie nicht unbedingt.“

Jedenfalls wissen nun dank dieser Studie Hamburg, München und Gelsenkirchen, was auf sie zukommt. Dort tritt die Pop-Ikone Swift im Juli auf – ausverkauft.

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Author: Kerri Lueilwitz

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